Rede zur Eröffnung des 7. Sächsischen Landtages am 1.10.2019

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich eröffne die erste Sitzung des 7. Sächsischen Landtages.

Gemäß Artikel 44 Abs. 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen tritt der Landtag spätestens am 30. Tag nach der Neuwahl zusammen. Bekanntlich fand die Wahl am 1. September 2019 statt. Die vorgesehene Frist ist somit eingehalten.

Nach derselben Verfassungsbestimmung wird die erste Sitzung vom Alterspräsidenten einberufen und bis zur Wahl des Landtagspräsidenten geleitet. Das nach Lebensjahren älteste Mitglied des 7. Sächsischen Landtages bin ich, Svend-Gunnar Kirmes. Ich wurde am 19. November 1949 geboren, mein Geburtsort ist Altenburg. Seit mehr als 55 Jahren lebe ich in Leipzig, so dass ich mit Fug und Recht sagen kann: meine Heimat ist Sachsen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

am 27. Oktober 1990 – nach der Friedlichen Revolution – konstituierte sich das erste freigewählte Sächsische Parlament. 

In diesen Tagen wird landauf, landab in verschiedensten Formen jener Zeit vor 30 Jahren gedacht, in der die Menschen auf die Straße gegangen sind – für eine offene demokratische Ordnung in einem geeinten Deutschland. Menschen und Orte in Sachsen nahmen damals eine zentrale Rolle ein.

Wir können zum einen stolz auf die Erfolge sein, die fleißige und kluge Menschen seither in unserem Freistaat erreicht haben.

Zum anderen aber zeigt das Heute, dass Demokratie kein Selbstläufer ist, dass um sie gerungen, dass sie auch verteidigt und immer wieder in Erinnerung gerufen werden muss, was ihr Wesen ausmacht:  nämlich im Sinne des Gemeinwohls und für die Zukunft zu arbeiten. Für die Menschen, die in Sachsen ihre Heimat haben.

Mit diesem Appell darf ich Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete des 7. Sächsischen Landtages, sehr herzlich in diesem hohen Hause begrüßen und beglückwünsche Sie alle zu Ihrer Wahl. Gleich, ob Sie zum ersten Mal in den Sächsischen Landtag gewählt worden sind oder erneut das Vertrauen erhalten haben, um Ihre Arbeit in diesem hohen Hause in der neuen Legislaturperiode fortsetzten zu können. Vor uns stehen große Herausforderungen, die sachbezogen und intelligent zu meistern sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

es mir eine sehr große Freude, dass viele Gäste aus Sachsens Gesellschaft zu unserer konstituierenden Sitzung erschienen sind.

Ich freue mich sehr, als Ehrengäste unserer heutigen konstituierenden Sitzung die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, Mitglieder der Staatsregierung,den Präsidenten des Sächsischen Städte- und Gemeindetages sowie Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften,ehemalige Abgeordnete und Repräsentanten des öffentlichen Lebens begrüßen zu können. Besonders herzlich begrüße ich auch die Bürgerinnen und Bürger, die an dieser Sitzung teilnehmen. Ich möchte es auch nicht verabsäumen, die Vertreter von Presse, Funk und Fernsehen willkommen zu heißen.

Denn sie sind es, die mit ihrer Berichterstattung sachlich, sicher auch kritisch und – so ist es ethisch-politischer Auftrag – fair unsere Arbeit begleiten. Sie tragen als Vermittler eine hohe Verantwortung, Meinung, Wissen und Erkenntnisse in der Bürgerschaft mit zu formen. Medien können sehr erheblich zur sachlich grundierten politischen Bildung und des Diskurses beitragen.

Deshalb wünschte ich mir, dass künftig noch stärker Erreichtes und auch Gelungenes, für das wir in diesem hohen Hause nur die Rahmenbedingungen schaffen können, herausgestellt werde. Das finde ich wichtig, weil in den neuen globalen Herausforderungen und täglich neuen Turbulenzen, mitunter auch Hysterien den Menschen der Kompass abhanden zu kommen scheint. Um es klar zu sagen: es geht nicht um Lobgesänge, sondern um Vergewisserungen und den Abgleich, neue Ziele zu formulieren, Kraft und Kräfte zu mobilisieren für Zukunftsfähigkeit in einem möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens. Schnelllebigkeiten und Hysterien verunsichern Menschen.

Ja, die Welt ist komplexer geworden, sehr individuelle Lebensstile prägen sich aus. Wirtschaftliche, soziale, gesellschaftliche Prozesse überlagern sich. Unsere Aufgabe als die Vertreter der Legislative in unserem Freistaat besteht darin, bei aller Individualisierung der Lebenswirklichkeit in demokratischer Weise den besten und machbaren Weg für die weitere Entwicklung in unserem Land für die Bürgerschaft zu gestalten.

Es ist unsere Aufgabe als Abgeordnete – nicht nur in diesem hohen Hause, sondern vor allem auch vor Ort in den Wahlkreisen – für unsere demokratische Werteordnung einzutreten. Das schließt den Grundsatz ein, gegen extremistische Bestrebungen konsequent mit ganzer Persönlichkeit einzutreten. Gerade hier liegt für uns und die Zivilgesellschaft eine vornehmliche Aufgabe.

Als ich vor 5 Jahren die erste Landtagssitzung der zurückliegenden Legislatur eröffnen durfte, habe ich Karl-Friedrich von Weizsäcker zitiert. Der Satz trifft auch heute zu und ich meine sogar, mehr denn je. Ich zitiere: „Das demokratische System, zu dem sich unser Staat bekennt, wurde auf der Überzeugung aufgebaut, dass man den Menschen die Wahrheit sagen kann. Wahrheit ist nicht einfach, aber sie zu äußern, macht glaubwürdig.“ 

Ich habe in meinen vielen Anwaltsjahren wie auch in den zurückliegenden 10 Jahren als Abgeordneter in meinem Wahlkreis immer wieder erfahren dürfen, dass Menschen mit Sachargumenten, mit einer ehrlichen Antwort umgehen und sich auseinandersetzen können. In jedem Falle besser als mit Versprechungen, denen es an Realitätssinn und Umsetzbarkeit fehlt.

Während der zurückliegenden Wahlkampfwochen haben wir erfahren müssen, wie schwierig eine sachliche und ausgewogene Auseinandersetzung war mit Problemen, die durchaus bestehen, oder mit Erwartungen von Menschen vor Ort. Für meinen Geschmack haben viel zu oft vermeintlich einfache, letztlich eher populistische Äußerungen bei Wählerinnen und Wählern verfangen. Es sind Gräben in der Gesellschaft aufgerissen und vertieft worden.  Diese ernst zu nehmen, in einen sachlichen Diskurs zuführen, ist dringender Auftrag an uns alle.

Unsere Arbeit in den Fraktionen, den Ausschüssen und in den Plenarsitzungen muss davon bestimmt sein, ohne ideologische Scheuklappen, ohne fest gefügte Blöcke die für die Entwicklung unseres Landes beste, sachgerechte und nachhaltige Entscheidung zu treffen.

Wir alle sind freigewählte Parlamentarier, die allein ihrem Gewissen und dem Wohle unserer sächsischen Bevölkerung verpflichtet sind.

Wir sind als Abgeordnete gefordert, die Herausforderungen zu bewältigen, die uns die politischen, wirtschaftlichen, finanziellen Umstände bereithalten werden.

Sachsen ist, was seine Kultur, seine wirtschaftliche Entwicklung, Staatshaushalt und Wissenschaft wie auch die Bildung anlangt, im Konzert der Bundesländer mehr als nur anerkannt. Dahinter steht das Werk vieler Menschen, die in unserem Land leben – als Facharbeiter oder Handwerker, als Wissenschaftler oder Ingenieur, als Lehrer oder Kulturschaffender, als Landwirt oder IT-Spezialist, als Existenzgründer oder Kreativer, als Arzt oder Pflegekraft in sozialen Berufen. Damit sie alle sich weiter entwickeln und gut im Freistaat leben können, müssen wir für entsprechende Rahmenbedingungen sorgen.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,

natürlich gehören Auseinandersetzungen und Streitbarkeit zum Parlamentsalltag. Darin spiegelt sich letztendlich das Ringen um eine Lösung, um den möglichst besten Weg wider.

Lassen Sie uns – trotz verschiedener Ansichten – unsere Arbeit für die nächsten fünf Jahren mit etwas Gelassenheit, vor allem aber in Würde, Sachlichkeit, menschlichen und kollegialen Umgang beginnen.

Ich danke Ihnen.

Bild: privat